Alte Messe Leipzig

Leistung
Städtebaulicher Realisierungswettbewerb

Auslober
Stadt Leipzig

Arge
MVRDV Architects, Rotterdam

Zeitraum
2022

Kategorie
Wettbewerb

Ergebnis
2. Preis

Alte Messe, Leipzig – Die Patchwork Stadt

Das Landschaftskonzept ist davon geprägt, nutzerorientierte Räume zu schaffen, die gleichzeitig einen ökologischen Mehrwert und einen positiven Beitrag zu den klimatischen Herausforderungen mit sich bringen.
Vier Landschaftsräume ziehen sich als Patchwork über das Gelände der alten Messe in Leipzig: Waldflächen, ein großzügiger Retentionskorridor, urbane Landwirtschaftsflächen sowie ein städtischer Platz als kulturelles Zentrum um den Kohlrabizirkus. Jeder der vier Freiraumtypen fungiert als Bindeglied zwischen Gebäude und Mensch. Innerhalb der Park-City, der Bio-City und dem Diversity-Hub verbinden sich Architektur und Landschaft und bilden eine eigene Identität. Das gesamte Gelände weist einen Gradienten auf, der von dichter und wilder Vegetation im Süden bis hin zu städtischen und strukturierten Bereichen im Norden reicht. Damit entspricht es den Funktionen der Gebäude sowie den entsprechenden Anforderungen an die Außenanlagen. Als Bestandteil des geplanten Mobilitätsnetzes verbindet ein Hauptweg für Fußgänger und Radfahrer in Nord-Süd-Richtung alle Bereiche des alten Messegeländes. 

Im Areal werden historische Gebäude aktiviert, indem neue Attraktoren als besondere urbane Objekte hinzugefügt werden. Es entsteht ein grüner Teppich als Erweiterung der grünen Achse. Angrenzende Wegeflächen wurden soweit möglich als wassergebundene Wegedecke oder mit Drainasphalt gestaltet.

Gesamtplan

DER WALDRAHMEN

Das Gelände wird von dichten Waldflächen aus bestehenden Bäumen und Neupflanzungen mit hohem ökologischem Wert gerahmt. Im Nordosten werden Gehölzstrukturen aus Pinus sylvestris und Prunus avium gepflanzt, die als Lebensraum für lokale Insekten und Vögel fungieren.

DIE PARK-CITY

Die vor Ort vorhandene, zum Teil 3 Meter tiefe, beckenartige Topographie wird als Retentionspark angelegt. Üppige wilde Sträucher, Gräser und Bäume bedecken das Gebiet. Trockenheits- und überflutungstolerante Baumarten wie Salix alba und Alnus glutinosa dienen als Pufferzone zwischen den Gemeinschaftsgärten und der Bebauung der Park-City.

Im Süden verbindet eine Fußgänger- und Fahrradbrücke die Westseite der S-Bahnlinie und das künftige Kulturzentrum Gleisdreieck mit der Park-City. Der bestehende Gehweg am Straßenzug im Süden wird erweitert und verbindet das bisher isolierte Gebiet mit dem übergeordneten Mobilitätsnetz. Die Hauptachse wird zum prägenden Element der Park-City. Mit einer Breite von 6,5 Metern trifft der funktionale Fußgänger- und Fahrrad-Mobilitätsweg auf die obere Ebene der Park-City-Gebäude. Dort entstehen geschützte Außenterrassen unter den Auskragungen. Auf den Dächern tragen extensive und intensive Dachbegrünungen zur allgemeinen Stärkung des Kaltluftkorridors auf dem Gelände bei.

Unterhalb des linearen Hochweges ermöglicht ein zweiter, 2 Meter breiter, mäandrierender Weg ein unmittelbares Erlebnis des Naturparks. Der um 50 cm angehobene Weg schafft Raum für Wasserrückhalt bei starken Regenfällen und schützt den Boden und die Pflanzen vor Begehung. Die mäandrierenden und gerade verlaufenden Hochwege sind an strategischen Punkten über barrierefreie Rampen und Treppen miteinander verwoben. Im Süden beginnt der Mäanderweg an der Richard-Lehmann-Straße am Brückenring. Hier findet man einen kulturellen Knotenpunkt im Freien, welcher das geplante Kulturzentrum am Gleisdreieck mit dem Messegelände verbindet. Ein attraktives, ganzjähriges Außenprogramm, von Sommerausstellungen bis zum Eislaufen im Winter, lockt BesucherInnen in den südlichen Bereich des Geländes. Südwestlich der Brücke befindet sich das notwendige Wasserrückhaltebecken mit einem Fassungsvermögen von über 6000 Kubikmetern.

DIE BIO-CITY

Gartenparzellen und grüne Höfe sind durch Wege miteinander verbunden und bieten öffentliche und halb- öffentliche Aufenthaltsbereiche für die NutzerInnen der Gebäude. Die Gärten können für Forschung und Innovation oder als Gemeinschaftsgärten genutzt werden. Darüber hinaus sind private Dächer für die urbane Landwirtschaft und die Schaffung von Freizeiträumen vorgesehen. Die neuen Gebäudegrundrisse der Bio-City sind so konzipiert, dass der Großteil der vorhandenen Bäume und Biotope erhalten bleiben kann.

In der Umgebung der bestehenden Gewerbebauten werden Neupflanzungen von klimaresilienten Stadtbäumen vorgeschlagen sowie eine Entsiegelung der asphaltierten Parkplatzflächen und deren Neugestaltung durch Rasenlinien oder Rasengittersteine. Insgesamt wird darauf geachtet, dass die Anforderungen des Außenbereichs für die ansässigen Unternehmen weiter gewährleistet bleibt.

DER DIVERSITY-HUB

Der sanierte Ringlokschuppen wird zum Hauptzugang von der S-Bahn zum nördlichen Platz. Die Drehscheibe in der Mitte bleibt als Denkmal erhalten und ist durch eine umlaufende Rampe barrierefrei zugänglich.

Auf dem städtischen Platz des Kohlrabizirkus werden schattenspendende hochkronige Bäume wie Gleditsia triacanthos und Quercus palustris mit Sitzgelegenheiten im Freien kombiniert, um den Blick auf das historische Gebäude zu ermöglichen. Als Freizeitangebot im Freien werden überall auf dem Platz Sportbereiche von Tischtennis bis Shuffleboard angeboten, die die urbane Identität des Gebiets erweitern. Ein großes Amphitheater soll künftig als öffentlicher Treffpunkt fungieren und stellt gleichzeitig einen der Haupteingänge zum westlichen Untergeschoss des Kohlrabizirkus dar. Die Brückenzugänge im Norden, Süden und Osten bleiben erhalten, im Süden wird ergänzend eine Treppenverbindung geschaffen. Das Untergeschoss wird für die bestehenden Café- und Konzertfunktionen erweitert, ein linearer Skatepark an der Ostseite aktiviert die untere Ebene zusätzlich. Als Hommage an die historische, aber nie realisierte Planung einer dritten Kuppel des Kohlrabizirkus wird eine Platzfläche an der ursprünglich angedachten Position in Form eines Octagon angelegt.

Die multifunktional nutzbare Fläche bietet Raum für Konzerte und Märkte im Freien. Davon ausgehende Grünstreifen säumen das Oktogon und schlagen eine Brücke zwischen der dichten Landschaftsvegetation im Süden und dem urbanen Platz im Norden. Die neuen öffentlichen Räume werden durch einen Weg für Fußgänger und Radfahrer miteinander verbunden.

„Durch drei sehr unterschiedlich gestaltete Quartiersbausteine, die Parkstadt, die Biostadt und die Kollektivstadt, entsteht an den Großmarkthallen ein Quartier mit hohem Wiedererkennungswert. Geschickt entzieht sich die gewählte Strategie dieser sogenannten „Patchworkstadt“ klassischen Mustern bekannter Gewerbequartiersentwicklung.“

– Auszug Juryurteil: 2. Preis

Vogelperspektive

„Interessant sind neben den großmaßstäblichen Themen auch die vielen kleinen gut durchdachten Vorschläge für die Nutzung der besonderen topografischen Situation entlang dem Band der Parkstadt.“

– Auszug Juryurteil: 2. Preis